Kunst-Welt

Die Zukunft der Kunstmessen

Kunstmessen galten schon als Auslaufmodell. Sie gehören klar zu den Verlierern in den fast zwei Corona-Jahren. Um weiterhin relevant zu bleiben, haben die Veranstalter neue Ideen für die digitale und die analoge Kunstwelt im Einklang.

Internationalität als wichtiger Faktor - Arbeiten der koreanischen Künstlerin Ha Haengeun, des Italieners Gerald Moroder und des Österreichers Franz Politzer am Stand von Forum Kunst Contemporary Bild: @die Fotografen

Die Tatsache ist immanent - die Coronapandemie und die damit einhergehenden Restriktionen der Regierungen hat dem Kunstmarkt mehr als den meisten anderen Branchen sehr geschadet. Es wird Jahre brauchen, diese Einbrüche wieder wett zu machen. Die Welt befindet sich seit Beginn der Pandemie in einem drastischen Wandel, und auch die von dieser Welle hart getroffene Kunstwelt wird sich sehr verändern. Manche Galerien haben zwischen den Lockdowns gar nicht erst aufgemacht, da in dieser gedrückten Weltuntergangsstimmung, die gerade in den ersten Monaten der Pandemie geherrscht hatte, der Bereich Kunst im täglichen Leben eher in den Hintergrund gerückt war. Es hat zwar hektische Initiativen der Digitalisierung von Kunstpräsentationen und Messen gegeben. Aber neben zugegeben unschlagbaren Vorteilen hat sich ernüchternd herausgestellt, dass das analoge Messegeschehen gerade im Bereich Kunst nicht befriedigend substituiert werden kann. Darin sind sich Sammler:innen und Galerist:innen einig. Nicht nur wegen der fehlenden Aura realer Objekte im Raum, sondern auch wegen der digital nicht ersetzbaren Verdichtung der Kommunikation und dem wiedererwachenden Fun- und Distinktionsbedürfnis des internationalen Kunst-Jetsets.

Zwei knappe Jahre fast ohne Kunstmessen machen augenscheinlich klar, was fehlt. Die Menschen sehnen sich nach Kunst und Begegnung. Zudem liegt in der physischen Anwesenheit, die sich mit einer Konkurrenz um die interessantesten Objekte paart, ein wichtiger Motor für den Kunsterwerb. Konkurrenz belebt das Geschäft - dieser alte ewig junge Slogan zieht sich konstant durch alle Lebensbereiche.

Es geht aber spürbar wieder aufwärts, nicht zuletzt aufgrund neuer Trends der Digitalisierung als notwendiges Instrument, um die sichtbaren Vorteile der Haupt- und Satellitenmessen zu bewahren, sie aber gleichzeitig mit neuen Modellen digitaler Form zu kombinieren. Die Kunstwelt ist bisher nur langsam online gegangen, aber diese Pandemie scheint den Trend erheblich zu beschleunigen. Die Online-Viewing-Rooms (OVR) werden tatsächlich technisch immer besser und vielseitiger. Sie dienen mittlerweile nicht nur als "Notnagel", sondern durchaus als Orte raffinierter Kunst-Storytellings. Wer das Modell Messe überdenkt, erkennt also die Kombination mit der Digitalisierung als ein notwendiges und wertvolles Zukunftsinstrument. Für Nachverkäufe ebenso wie für Sammler:innen, die nicht jeden Termin mehr physisch wahrnehmen wollen. Und gleichzeitig steht mit den Online-Viewing-Rooms plötzlich der Sinn von Analogmessen wieder klar im Raum.

Großes Publikum und angeregte Diskussionen auf der 25. ARTfair Innsbruck Bild: @die Fotografen

"Ich sehe deshalb keinen Grund zur Angst vor einem Ende der Kunstmessen. Sie bleiben nach wie vor von entscheidender Bedeutung für die Dynamik des Marktes.", so die Direktorin der für junge, unkonventionelle Kunst bekannten Art Brussels, Anne Vierstraete. "Die Pandemie habe den Kunstmarkt digitaler gemacht", sagt die Direktorin der Berliner König Galerie, Anneli Botz. "Dass man ständig unterwegs war und dass die Kunstwerke ständig hin und her geschifft wurden", das sei nicht mehr so nötig. Mit Blick auf den Klimawandel sei das eine gute Entwicklung. Auch die Nachfrage nach digitaler Kunst sei enorm, weil nun mehr Verständnis dafür da wäre.

Man darf also rückblickend betrachtet nicht darüber hinwegsehen, dass zu Beginn der Pandemie viele Galerist:innen des globalen Messe-Hamsterrades überdrüssig waren und sich geschworen hatten, künftig weniger Messen zu bedienen. Der ökologische Fußabdruck drückte auf die Moral, die Reise- und Hotelkosten auf das Budget.

Im Jahr 2000 gab es weltweit etwa 55 Kunstmessen, aber bis 2020 stieg die Zahl auf mehr als 260. Diese Zunahme an Messen mag ein Hinweis dafür sein, dass der Kunstmarkt boomt, aber es wurde gleichzeitig festgestellt, dass Sammler:innen immer weniger dieser vielen Kunstmessen besuchten.

Der Grund dafür war das "Kunstmesse-Burnout-Syndrom". Zu viele Kunstmessen fanden irgendwo auf der Welt statt, und um die großen Messen herum wurden zusätzliche Satellitenmessen eingerichtet. Jeder wollte bei diesem Kunstzirkus mitmachen. Als globaler Trend besuchen die Sammler auch seltener Galerien, was bedeutet, dass diese immer abhängiger von den Verkäufen auf Messen werden.

Relaunch der Analogmessen - frischer Wind?

Welchen Weg werden nun die Kunstmessen zusätzlich zum "Hybrid-Modell" der Digitalisierung in Zukunft einschlagen? Der Kunstmessemarkt, der wie ein Monster gewachsen ist, scheint an einem entscheidenden Punkt in seiner Entwicklung zu stehen. Es gibt einige in der Kunstbranche, die sagen, dass nichts mehr so sein wird, wie es einmal war?

Das Modell Messe der vergangenen 50 Jahre braucht unbestritten dringend einen Relaunch auch in den Formen der Präsentation. Neue Ideen liefern Galerien gerade selbst. Zeitgenössische Kunst in den Messekojen, kombiniert mit hochkarätigem Interior-Design und Vintagemöbeln.

Ein gelungenes Experiment, das durch die Abkehr vom bisherigen puristischen Kanon in der Messepräsentation durchaus spannendes Erfolgspotential aufweist und als frischer Wind den Weg frei macht für weiterführende phantasievolle, adäquate Fächerbündelungen.

Die bange Frage, ob die Besucher wohl zurückkommen werden nach der sozialen Distanz und das Ein-tauchen in die Menge von Kunstinteressierten suchen kann ich mit bestem Gewissen mit einem überzeugten "JA" beantworten.

Gastbeitrag von Johanna Penz (JP) Gründerin und Direktorin der internationalen Kunstmessen ARTfair Innsbruck und ART SALZBURG CONTEMPORARY Bild: Dr. Guenther Egger

Die im Oktober letzten Jahres nach zweimaligen coronabedingten Verschiebungen erfolgreich in der neuen Location OLYMPIAWORLD über die Bühne gegangene 25. ARTfair Innsbruck wurde trotz strenger Coronamaßnahmen regelrecht gestürmt von begeisterten Besucher:innen und Sammler:innen, die ihre Freude über die nach langer "Durststrecke" live stattfindende Kunstmesse zahlreich zum Ausdruck brachten. Die Aussteller:innen verzeichneten erfreulicherweise beste Verkäufe.

Der nächste Termin ist für den Oktober 2022 anberaumt und weist schon zum jetzigen frühen Zeitpunkt zahlreiche Anmeldungen auf. Es zeichnen sich auch bereits äußerst spannende inhaltliche Programmpunkte ab. Mein permanentes Dogma bleibt ungebrochen weiterhin aufrecht: "Kunst ist eine der ältesten, edelsten und nachhaltigsten Formen der Kapitalanlage. Kunstmessen bieten das exqusite Forum dafür."

   Quelle: Kunst-News (JP)

 

 

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